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10.11.2020

Gegen das Vergessen:

Gemeinsame Erklärung des Stadtrates für die symbolische Aberkennung der Ehrenbürgerwürde prominenter Vertreter des Nationalsozialismus

"Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Der 9. November gilt in der Geschichte unseres Landes als Schicksalstag. Er markiert im Jahre 1918 den Beginn der ersten deutschen Republik und datiert den Fall der innerdeutschen Mauer im Jahre 1989. Im Jahre 1938 aber steht er mit dem Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland für ein im höchsten Maße unmenschliches Denken und Tun. Auch in unserer Stadt.

Genau deshalb wollen wir heute an diesem Tag, 75 Jahre nach Überwindung der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Deutschland in Verantwortung für unsere Geschichte, die eben auch eine Geschichte in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist, ein Zeichen setzen.

Die Gemeinde Bad Neuenahr hat am 29.03.1933 Adolf Hitler und am 24.05.1933 Hermann Göring die Ehrenbürgerschaft durch Gemeinderatsbeschluss verliehen. Carl Brinkmann erhielt als örtlicher Vertreter und engagierter Förderer des Nationalsozialismus am 02.12.1937 das Ehrenbürgerrecht von Bad Neuenahr.

Der Rat der Stadt Ahrweiler erkannte am 12.06.1937 dem NSKK-Führer General-Major Adolf Hühnlein das Ehrenbürgerrecht zu.

Damit befanden sich Bad Neuenahr und Ahrweiler in Gesellschaft vieler deutscher, aber auch ausländischer Städte und Gemeinden. Doch diese zahlreichen Ehrenbürgerwürden für Nationalsozialisten durch andere vermindert unsere Verantwortung und unsere Scham nicht. Wenn wir heute die damalige Entscheidung revidieren, wenn wir heute Adolf Hitler, Hermann Göring, Carl Brinkmann und Adolf Hühnlein die Ehrenbürgerrechte symbolisch aberkennen, dann ist dies ein weiterer Schritt in der Aufarbeitung unserer Stadtgeschichte.

Die Befassung mit der Geschichte unserer Stadt in der Zeit der Nazi-Terrorherrschaft bleibt eine dauerhafte Verantwortung und ein dauerhafter Prozess. Denn Geschichtsvergessenheit ist der Nährboden für  Geschichtsleugner, Relativierer und Hassprediger.

Diese Grundhaltung hat ihren Ausdruck in der über 50 Jahre gelebten intensiven Erinnerungskultur in unserer Stadt gefunden.

So erinnert uns bis heute die durch glückliche Umstände vor der völligen Zerstörung bewahrte Synagoge in Ahrweiler an unsere Verantwortung. Dank des Einsatzes engagierter Menschen im Bürgerverein Synagoge ist sie heute Mahnstätte und Kulturstätte zugleich. Die Verlegung der Stolpersteine in unseren Straßen haben ebenso einen festen Platz in unserer Erinnerungskultur gefunden wie die Gedenkstätte Lager Rebstock. Nicht zuletzt haben wir mit unserer Kundgebung unter dem Motto „Wir für Toleranz und Freiheit“ am 24.03 2012 eindrücklich unsere Haltung zum Treiben von Nazis in unserer Stadt Stellung bezogen. Damals aus aktuellen Anlass.

Heute wollen wir sehr deutlich machen: Die Ehrenbürgerwürde verdient nur, wer die Würde des Menschen achtet. Der universelle Schutz der Menschenwürde bedeutet auf der Grundlage unserer Verfassung, dass kein Mensch zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf. Einem Menschen kommt immer Würde zu. Es kann kein „Mehr“ oder „Weniger“ an Würde geben. Menschenwürde wird weder verdient noch verliehen. Allen Menschen ist diese Würde kraft ihres Personseins immanent, ständig und ununterbrochen. Und sie ist jedem Menschen in gleicher Weise gegeben, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Glaube, sexueller Orientierung, Krankheit oder Status.

Das nationalsozialistische System beruhte gerade auf einem entgegengesetzten Kodex. Die damalige Verleihung der Ehrenbürgerschaft an die Genannten widerspricht fundamental dem demokratisch-freiheitlichen Wertekanon unserer Gesellschaftsordnung, die immer auch den Schutz des Schwächeren, die Achtung gegenüber dem Anderssein und den Respekt gegenüber jedem Menschen einfordert.

Diesem Wertekanon einer menschlichen, einer humanen Gesellschaft hat sich Josef Heinen aus Ahrweiler verpflichtet gefühlt. Er hat während der Nazi-Diktatur beherzt und mutig eine befreundete jüdische Familie versteckt, vor dem Zugriff der Nazi-Schergen und damit vor der Deportation in ein Vernichtungslager bewahrt. An diesen „Gerechten unter den Völkern“ wollen wir zeitgleich erinnern und machen damit deutlich, dass das Einstehen für Menschenrechte auch Gesichter hatte, heute noch hat und auch in Zukunft immer wieder braucht.

Mit der heutigen Entscheidung verurteilt der Rat der Stadt daher zugleich jede Ausprägung von Rassismus, Antisemitismus und Missachtung der Menschenrechte in unserer Zeit. Dabei ist es gleichgültig, ob eine Menschen verachtende Ideologie die Ausprägung eines politischen, weltanschaulichen oder religiösen Extremismus darstellt.

Denn: Die Würde des Menschen bleibt unantastbar."

 

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